Ein Bild unseres Planeten
Die Theatergruppe „Licht und Schatten“ wird in diesem Jahr (ergänzt von Licht & Schatten: 2004) 22 Jahre alt. Trotz ihres für eine Amateur-Theatergruppe beachtlichen Alters ist sie aber nicht ‚eingerostet‘ sondern hat sich erneut verjüngt und, nach der fulminanten Fußball-Revue „Elf Nieten“ im letzten Jahr, sogleich eine neue Herausforderung gesucht:
Mitte September feierte sie Premiere mit Friedrich Dürrenmatts „Porträt eines Planeten“ von 1970 - ein Blitzlicht irdischer Zustände im Augenblick des sich ankündigenden Endes, eine satirisch zugespitzte, ironisch verfremdete Bestandsaufnahme, die auch nach mehr als 30 Jahren noch brennend aktuell, ja prophetisch wirkt:
Als Anzeichen der sich anbahnenden Katastrophe beschreibt Dürrenmatt eine sich rapide beschleunigende Erwärmung der Erde und das zunehmende Wüten von Hurrikanen - allerdings geht dieser dramatische Klimawandel in seinem Stück nicht auf den CO%-Ausstoß zurück, sondern auf eine explosionsartige Veränderung „unserer“ so verlässlich geglaubten Sonne. Und es wirkt wie ein Spiegel aktueller Zustände, wenn Dürrenmatt beschreibt, wie Politik und Wissenschaft auf die Krise reagieren: Sie sind blind für die Wirklichkeit, und voller Größenwahn bilden sie sich ein, alles im Griff zu haben.
Hellsichtig auch, wie Dürrenmatt schon damals die verlogenen Begründungen der heute so eifrig praktizierten sog, Humanitären Missionen entlarvt, indem er lustvoll vorführt, welche Eigeninteressen und welch eitler Forschrittsbegriff dahinter stecken! Und beklemmend eine Szene im Frisiersalon mit vier Frauen, deren Männer in Vietnam gefallen sind - wie austauschbar sind Kriegsschauplatz und Zeit, es könnte auch Irak 2004 sein!
Die von Karin Döpke-Szymanski sorgfältig erarbeitete Inszenierung erhält einen besonderen Reiz durch Torsten Kapkes Live Begleitung mit Percussionsinstrumenten, die das Spiel auf der Bühne einfühlsam und sparsam unterstreicht und gliedert. Sparsam eingesetzt werden auch Bühnenbild und Requisiten: eine Bank, ein paar Munitionskisten, ein Weidenkorb, der bei Bedarf sich auch in einen Hut verwandelt - die 22 von Dürrenmatt kunstvoll aneinander montierten Szenen wechseln schnell, oft bleiben die Darsteller auf der Bühne und beginnen unversehens, mit wenigen Veränderungen ihres Outfits in ihre neue Rolle zu schlüpfen.
Die Geschichte der Menschheit: eine Episode - ihr Ende wird von den Göttern nur ganz von fern und beiläufig wahrgenommen. Die Inszenierung aber berührt und lässt den Zuschauer nicht los: Auch wenn die Menschen unverbesserlich scheinen, es wäre schade drum, sie aufzugeben!
Ursprünglich Veröffentlicht in der "Spiel Art" Publikation Verfasser Gerhard Heß