Ohrwurm über Trümmerschutt

Nicht nur historisch: Eine Revue über die Nachkriegszeit


Berlin 1945 Hitlerjunge „Kläuschen” sitzt zusammengesunken auf einem Trümmerstein und erzählt: Davon, daß er nicht zurück in die Schule will, „jetzt, wo ich doch schon ein Mann war -, mit der Waffe in der Hand“, Und davon, daß er sich von Adolf Hitler um seine Ideale betrogen fühlt: „Warum hat mir denn niemand gesagt, daß uns der Führer von Anfang an beschissen hat”, fragt er und will es immer noch nicht glauben.

„Verlorene Idole eines Hitlerjungen” nach Horst Pillau ist eines der Stücke, die das Theater Licht und Schatten für ihre Nachkriegsrevue: „Schieber, Schutt und Schonwaschgang” ausgewählt hat Anhand von Texten und Liedern von Borchert, Brecht, Kästner und anderen werden in sechs Bildern die alltäglichen Situationen und wechselhaften Gefühle des „kleinen Mannes“ nach der deutschen Kapitulation in Szene gesetzt: Berliner Trümmerfrauen beim Steineklopfen, Schlangestehen für „Persilscheine”, Schiebergeschäfte auf dem Schwarzmarkt. Gefühle der Verzweiflung, des Hungers, der Hoffnungslosigkeit aber auch der Feigheit angesichts der Verantwortung für die eigene Vergangenheit.

Hier werden jedoch weder Helden gesucht noch wird mit erhobenem Zeigefinger geurteilt. Stattdessen erhält der Betrachter durch die einfühlsame Auswahl der Texte die Möglichkeit, sich in die Nachkriegsjahre und ihre Auswirkungen auf das Leben des „kleinen Mannes” hineinzuversetzen. Dabei sind Parallelen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Polenmarkt und Schwarzmarkt, Entstasifizierung und Entnazifizierung keineswegs zufällig.

Im Vortrag nicht immer professionell - von einer Laienschauspielgruppe auch kaum zu erwarten - erhält die Revue im Gemeindehaus der Britzer Dorfkirche vor allem bei den teils selbstkomponierten Liedern Tempo.


Ursprünglich Erschienen im Tagesspiegel am 03. Mai 1991, Stadtszene, Autorin Jutta Hinz